Die Sage vom Siebenfreund

Der Verwalter des Rittergutes Heinersreuth hieß Jakob Siebenfreud, im Volksmund „Siebenfreund".

Er war ein hartherziger Mann und quälte die Leute, wo er nur konnte.

Wenn im Frühjahr im Walde die schweren Stämme geschlagen wurden, musste er sie zeichnen und jeden einzelnen in ein Buch eintragen. Er nahm diese Vorschrift nicht sehr genau;
einige Stämme verkaufte er immer für sich und das Geld steckte er in die eigene Tasche. Einmal kam sein Herr in den Wald und zählte die Stöcke. Es waren mehr Baumstümpfe vorhanden als Stämme im Buche verzeichnet waren. Da wurde der Herr zornig und wollte Siebenfreund in den Kerker werfen. Der aber fand eine Ausrede und sagte, die Bauern und Weber hätten die Stämme gestohlen. Von nun an durften die kleinen Leute den Wald nicht mehr betreten. Das passte dem Siebenfreund, und wenn er einmal einen Holz oder Reisigsammler traf, hetzte er seine Hunde darauf und ließ ihnen die Kleider vom Leibe reißen.

Siebenfreund war nicht nur Herr über den Wald, er war auch Richter über die Wälder ... ein harter Richter! Da hab's keine Gnade und seine größte Freude war, wenn er einen an den Galgen bringen konnte.

Eines Tages ging die Kunde um: „Der Vogt ist tot ...!" Die Bevölkerung schnaufte auf: „Endlich hatte der Herrgott ein Einsehen." Am Beerdigungstage versammelten sich nur wenig Leidtragende im Schlosshofe;
es waren nur die da, die dabei sein mussten. Die Forstleute hatten ihren neuen grünen Joppen angezogen und standen hinter dem Leichenwagen. Als das Totenglöcklein läutete, trugen sie den schwarzen Sarg aus dem Schlosse und hoben ihn auf den Wagen. Der letzte Glockenschlag verhallte. Der Kutscher nahm die Zügel in die Hand;
aber die Rappen rührten sich nicht vom Platze. Da hallte vom obersten Giebelfenster höhnisches Gelächter. Die Köpfe flogen in die Höhe ... und alle gewahrten das graue Gesicht des Siebenfreunds. Einer nahm sich das Herz, stieg auf den Wagen und schlug den Sargdeckel hoch. Statt des Toten ... ein ... Besen!

Verstört und mit erschrockenen Mienen gingen die Leute nach Hause. „Noch ist er unter uns ...", dachten sie ... und er ist auch wirklich als böser Geist unter ihnen geblieben.

Dem neuen Verwalter sah das graue Spinnwebengesicht über die Schulter, wenn er die gefällten Bäume ins Buch schrieb;
den Holzfällern zerbrach er die Sägen und machte ihnen die Äxte stumpf. Wenn Elend und Not unter die Bevölkerung kamen, erschien vorher der Siebenfreund. Manchmal war er als Richter gekleidet mit einem Bündel Akten unter dem Arm. Er schritt durch die Häuser, ging .die Treppen auf und ab, öffneten verschlossene Türen und immer brachte sein Erscheinen dem Hause oder seinen Bewohnern Unglück. Wenn er umging, winselten die Hunde und verkrochen sich in die hintersten Winkel. Er ist im Volke noch nicht vergessen und da und dort soll er noch über die Kreuzwege huschen und Wanderer mit seinem Gelächter schrecken. Noch immer trägt er seinen grünen Jägerhut mit der langen Fasanenfeder darauf. So irrt er ruhelos durch den Wald, bis er den letzten Stamm bezahlt hat, um den er seine Herrschaft betrog.

Quellennachweis:

Alfons Finger, Heimatbelege der Bayer. Rundschau Kulmbach, Nr.12/1954.